JÖRG RECKHENRICH
Die Kunst der positiven Führung
 

Entstehungsgeschichte

 

Stuhl im Museum



Alles begann mit einem Stuhl

Als junger, angehender Kunststudent war ich der Überzeugung: Kunstwerke müssen nicht erklärt werden; sie haben ihre eigene Kraft und Wirkung. Um dies herauszufinden, besuchte ich Museen, bewaffnet mit einem Stuhl, und stellte ihn vor ein Kunstwerk. Ich nahm Platz, wartete lange und hoffte, dass etwas Ungewöhnliches geschehen würde.


Die Erfahrung war durchweg verblüffend. Mit jeder neuen Begegnung erwachten die Kunstwerke auf eine eigentümliche und doch vertraute Weise zum Leben – sie fühlten sich nah an. Mehr noch, sie wurden zu einem Teil von mir und spiegelten meine Fragen, Gefühle und Lebenssituation wider. Die Kunstwerke verwandelten sich in Gesprächspartner, mit denen ich auf ganz eigene Weise in den Dialog trat.


Gemeinsam sehen wir mehr

Als ich nach Berlin zog, wollte ich anderen meine Kunsterfahrung näherbringen. Ich fing an, mit kleinen Gruppen Dialoggespräche vor Kunstwerken zu führen. Ein besonders eindrückliches Erlebnis hatten wir vor einem Werk von Cy Twombly. Die lockere, poetisch–spielerische Bildsprache versetzte nach kurzer Zeit eine ältere Teilnehmerin sichtbar in Unruhe. Um Entspannung zu ermöglichen, nahmen wir zunächst Abstand vom Bild. Nach einiger Zeit rücken wir als Gruppe wieder dichter an das Kunstwerk heran, und folgendes Gespräch entstand. Eine junge Frau sagte: „Das Bild passt perfekt zu meiner aktuellen Lebenssituation, ich kann mich von Ort zu Ort bewegen, ohne dass mich etwas festlegt“, worauf die ältere Frau fast mit Empörung antwortete: „Aber man braucht doch ein Ziel im Leben“.


Mir wurde klar: Kunstwerke sind nicht nur Gesprächspartner, sondern auch Mentoren. 

Sie äußern sich auf unterschiedliche Weise – manchmal flüstern sie leise, und manchmal treten sie selbstbewusst, mit großer Überzeugungskraft, auf. Kunstwerke enthüllen, was im Inneren verborgen ist, und schaffen einen Raum, in dem man sich selbst begegnen kann, frei von Urteilen und Druck. Die Idee für Coaching vor Kunst war geboren.




Das Gespräch ist das Kunstwerk



Das Gespräch ist das Kunstwerk

„Coaching vor Kunst“ gründet sich auf der Erfahrung und der festen Überzeugung, dass kreative Prozesse und die Interaktion mit Kunstwerken unser Selbstverständnis erweitern und unsere Wahrnehmung schärfen. 


Diese Erkenntnis bildet die ideale Grundlage für eine Coaching-Situation. Die einzigartige Dynamik des Dialogs zwischen Kunstwerk, Coach und Coachee lässt einen fühlbaren, ganz substanziellen Raum entstehen. „Das Gespräch selbst ist das eigentliche Kunstwerk“, sagte mir einmal ein Teilnehmer.




Praxis und Wirkung

Wie funktioniert Coaching vor Kunst? Gemeinsam treten mein Coachee und ich vor ein von ihm oder ihr, passend zum Coaching-Anliegen, selbst ausgewählten Kunstwerk. Dieses beobachten wir genau, vertiefen uns in die Details und entdecken Zusammenhänge. Zum Beispiel würden wir in dem Bild „Theaterszene“ zunächst die vielfältigen Elemente wie Figuren, Farben und Komposition erfassen.


Die unmittelbare Wahrnehmung und Reflexion als erster Einstieg in das Bild fördert nicht nur ein tieferes Verständnis des Kunstwerks, sondern spiegelt auch die eigenen Gedanken, Gefühle und das Coaching-Thema selbst wider.
Im zweiten Schritt verknüpfen wir das Bild genauer mit dem Coaching-Anliegen. Beispielsweise könnte meine Frage im Coaching lauten: „Wie gelingt es mir, in meiner Führungsrolle ruhig zu bleiben, insbesondere wenn ich kritisch beobachtet werde?“ Das Bild bietet eine Vielzahl an Inspirationen, wie ich eine solche Situation erfolgreich meistern kann. So könnte der Trompetenspieler oder die beiden Widder, die sich freundlich begegnen, für Personen stehen, von denen ich in herausfordernden Momenten gezielt Unterstützung bekomme. Das Coaching entwickelt sich durch den Dialog mit dem Kunstwerk zu einem Raum der kreativen Lösungsfindung.


Der Ort macht einen Unterschied

Meine Erfahrung, dass Kunst durch das Umfeld, in dem sie zu sehen ist, die Wahrnehmung und Wertschätzung beeinflusst, hat meine Arbeit entscheidend geprägt. Ein Museum oder eine Galerie ist daher nicht nur ein Raum der Präsentation, sondern darüber hinaus ein kraftvoller Ort, der Selbstbegegnung und persönliche Entwicklung möglich macht. Insofern findet Coaching vor Kunst in der Regel im Museum oder in einer Galerie statt.


Coaching vor Kunst ist mehr

Die Arbeit mit Kunstwerken ist nicht nur eine Methode der persönlichen und beruflichen Entwicklung; sie ist eine Lebenshaltung. Die Begegnung mit Kunst ist deshalb so wertvoll, weil sie uns die Augen dafür öffnet, neugierig zu bleiben und sich immer wieder zu hinterfragen. Wir sind am Ziel und verändern uns mit ihm. Als Menschen sind wir in der Lage, die Schönheit in den Brüchen unseres Lebens zu erkennen; so wie Leonard Cohen es in einem Song beschreibt: „There is a crack in everything / That’s where the light gets in.“


Kunstwerk Jörg Reckhenrich, Coaching vor Kunst Theaterszene, Jörg Reckhenrich 2023





 
 
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